· 

Vielstrapazierte Nachhaltigkeit

 

 

 

 

 

Es war einmal...

 

...Nachhaltigkeit...

...Zukunftsfähigkeit...

...Erbstücke...

 

Irgendwann einmal gab es einen Beitrag von mir zum Thema "Nachhaltigkeit", ein inzwischen vielstrapaziertes Wort (mit dem Versprechend/der Drohung eines zweiten Teils dazu).

 

Für den Beitrag wird aus "Nachhaltigkeit, Teil 2" einfach "Zukunftsfähigkeit", oder noch besser "Erbstücke“!

 

„Es gibt kaum etwas auf dieser Welt, das nicht irgendjemand ein wenig schlechter machen kann und etwas billiger verkaufen könnte, und die Menschen, die sich nur am Preis orientieren, werden die gerechte Beute solcher Menschen.“

 John Ruskin, englischer Schriftsteller, Maler, Kunsthistoriker und Sozialphilosoph (1819-1900)

 

Harte Worte, aber sie lassen mich an den vielgebrauchten und manchmal schon recht abgewetzten Begriff „Nachhaltigkeit“ denken, über den man sich in unendlichen Diskussionen verlieren kann.

 

Billig zu kaufen, ist verführerisch.

Und: Wie lange hält „billig“ eigentlich?

 

Teuer kaufen?

Ist auch nicht selbstverständlich leistbar.

 

Doch vernünftig zu kaufen, das ist machbar.

 

„Erbstücke“ fallen für mich auch unter den Begriff „vernünftige Nachhaltigkeit“, oder besser „Zukunftsfähigkeit“.

Erbstücke bekommt man nicht nur, sondern schafft sie auch mit dem eigenen Kaufverhalten.

 

Ich bin also auf der Suche nach ein wenig Zukunftsfähigkeit durch unser Haus geschlichen und musste feststellen, dass sich darin doch ein paar sehr nachhaltige Erb- und Erinnerungsstücke befinden.

Nicht, dass diese Stücke einen Wahnsinnswert hätten.

Gar nicht.

Nein, der Wert liegt vielmehr in Erinnerungen, die damit verbunden sind.

Jüngere Erinnerungen.

Ältere Erinnerungen.

Stücke, die mir anvertraut wurden, damit ich sie eines Tages weiterreichen kann.

Stücke, die ich mir selbst geleistet habe, weil ich lange Freude daran haben will.

 

Eines dieser Stück hatte vermutlich auch schon vor 80 Jahren seinen Preis.

Sie war sicher nicht billig, die Truhe, die mal zu nah am Ofen stand und deswegen an der Rückseite ein wenig schwarz von der Hitze geworden ist (ein Stück meiner Urgroßmutter, die ich noch kannte).

Sogar die Holzwürmer wussten die Holztruhe schon zu schätzen und ich mag sie auch. Ursprünglich mittelbraun lackiert, habe ich sie vor vielen Jahren abgebeizt und nicht nur die ein wenig angekohlte Rückseite, sondern auch schönes Fichtenholz kam zu Vorschein.

 

Der Schreibtisch. Mein Lieblingsstück, weil von meinem Großvater als Geburtstagsgeschenk für mich angefertigt, ist mittlerweile - wie die Zeit verrinnt - 32 Jahre alt. Groß ist er nicht, modern ist er auch nicht, ein wenig abgewetzt ist er, mit ein paar Schmacken versehen und schwer sowieso. Er ist so schwer, dass es zwei kräftige Männer brauchte, um ihn vom ersten Stock des Hauses in das Erdgeschoß zu bringen. Aber im Falle eines Erdbebens würde ich keine Sekunde zögern und dem guten Stück mein Leben anvertrauen, indem ich mich in den offenen Fußraum des Meisterstücks verkriechen und auf die dicke Vollholztischplatte über mir vertrauen würde.

 

Eine Truhenbank befindet sich auch unter meinen Erbstücken. Wie alt sie ist? „Erst“ an die 25 Jahre gibt es die Bank. Ich weiß es nicht mehr so genau, wann ich mir das gute Stück geleistet habe. Aber ich kenne den Tischler, der sie für mich gemacht hat, sehr gut. Mein Bruder war es. Erst kürzlich hat er sie kritisch betrachtet, die Augenbrauen hochgezogen, mich fragend angesehen und dann musste ich ihn erinnern, dass er das gute Stück selbst produziert hat. Er wusste es nicht mehr :)

Sie knarrt ein wenig, wenn ich mich auf ihr niederlasse, was nicht an mangelndem Meisterkönnen liegt, sondern am Gewicht der Besitzerin. Aber ohne dieses anklagende Knarren wäre sie ohnehin nicht meine Bank. Das gehört so!

 

Das Bücherregal.

Der alte Kasten von Oma.

Die neue Zirbenbank.

Das Bett, unter dem mein Kater so gerne wohnt.

Das runde Buchenbett, das mein Tischlermeisterbruder an mich abgetreten hat, weil er meinem Betteln einfach nicht widerstehen konnte.

Das kleine, eigenwillige Zirben-Beistelltischchen zum runden Bett, das mir mein Mann zum Geburtstag geschenkt hat.

Die bequeme Garderobenbank im Eingangsbereich, auf der sich Einkäufe toll abstellen lassen, und auf der man zum Schuhe an- und ausziehen wohlig seufzend niedersinken kann.

Der niedrige Wohnzimmertisch, auf den Frau keinesfalls ihre Füße legt. Niemals! Weil Frau das nicht tut. Wobei die Tischhöhe so perfekt verführerisch ist, dass...

Die alte Truhe, für die ich einfach kein passendes Schloss gefunden habe (und auch gar nicht weitersuchen werde), weil die hölzerne Haarnadel als absolut verschlusstauglich befunden wurde. Quasi einbruchsicher!

 

Nichts davon würde mich reich machen, würde ich es verkaufen.

Nichts davon ist so wertvoll, dass ich mir davon eine Weltreise würde leisten können (höchstens ein Zugticket nach Wien, ohne Rückreiseticket).

Trotzdem sind diese Möbel wertvoll, denn sie brauchen nicht ersetzt werden.

Wozu auch?

Manche darunter sorgen bereits seit Jahrzehnten für meine Zufriedenheit.

Manche haben schon weit vor meiner Geburt treue Dienste geleistet und so manche Zeiten überlebt.

Manche davon werden auch mich überleben.

 

Ob ein Produkt aus einem Wegwerfmöbelhaus da mithalten kann?

 

Gruß, Astrid

 

PS: So! Und jetzt gehet hin und kaufet bei meinem Bruder ein anständiges Generationenmöbel,… oder bei einem beliebigen Tischler eures Vertrauens!

www.ideentischler.at

Kommentar schreiben

Kommentare: 0